Rowland – Public Beta!

Online-Roman

Neulich war ja Welttag des Buches. Und ich trug mich schon länger mit der Idee herum, damit zu experimentieren, ein ganzen Roman direkt ins Netz zu stellen. Auch wenn wir derzeit noch ganz am Anfang stehen, Bücher zuallererst unter Creative Commons Lizenz frei ins Netz zu stellen, um sie entsprechend unserer heutigen Kultur verlink- und teilbar zu machen, und die Monetarisierung über andere Kanäle zu organisieren: langfristig geht der Trend dorthin. Man lese nur das Book: A Futurist’s Manifesto, die Tom Hillenbrands Zehn steile Thesen zum Ebook oder schaue sich die neuen „Social-Media“-Verlage Buch&Netz oder Verlag 3.0 an; gerade gingen außerdem Googles Books-Cloud online und hat Sascha Lobo sich Gedanken gemacht zur Zukunft des Buchstabenverkaufs und sogar die Gründung eines eigenen Verlags sobooks angekündigt.
In der Tat finde ich als Autor, der auch nur eine Fackel weiterträgt, die sehr viele andere entfacht haben, es notwendig, dass wir den aktuellen geltenden Eigentumsbegriff der Kreativarbeit hinterfragen. Denn, wie mein Namensvetter Andreas Popp bei den Piraten in diesem Vortrag behauptet, sind „Eigentum“ und „geistig“ eigentlich ein Widerspruch; besonders augenfällig gerade  in der heutigen Überflussgesellschaft. Indes muss für Autorenleistungen irgendwo Geld herkommen, „Prinzip Kostenlos“ heißt nicht „Buch zu verschenken!“; hier aber sind Urheberrecht Buchbranche und Geschäftsmodelle noch nicht soweit, dass sich die kostenlose Erstpublikation im Netz schon vernünftig rechnen würde. Wir leben in einer Zeit des Ausprobierens. Natürlich sollten E-Book-Ausgaben für alle Plattformen sowie eine gedruckte Version die kostenfreie Netzversion ergänzen; jeweils mit einem anderen „Mehrwert“ damit es auch Anreize zum Kauf gibt: komfortableres „Blättern“ als im Netz, Haptik und Geruch, schönere Gestaltung, etc. Doch wer soetwas hierzulande wagt, hat (zur Zeit) kaum Chancen, vom etablierten Literaturbetrieb auch ernstgenommen zu werden. Und da sich das Leben eines durchschnittlichen Autors sehr durch Stipendien, Auszeichnungen, Lesungen, Unterricht finanziert (siehe z.B. dieser Artikel von Marcel Weiss), an die man oftmals nur mittels des klassisch gedruckten Buches (in keinem Selbstverlag!) gelangt, stellte man sich als elektronischer Self-Publishing-Autor auch hier gleich selbst ein Bein.

Deshalb möchte ich hier einmal eine Art Mittelweg versuchen. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang, vor dem man mich auf dem Buchcamp heuer zwar gewarnt hat – aber wer nichts wagt, gewinnt auch nichts!
Ich werde meinen Rowland oder Die Queste zum Unicode im Laufe dieses Jahres sukzessive hier einstellen. Aber nicht als „richtige Veröffentlichung“. Sondern als Public Beta,  zum öffentlichen Lektorat gewissermaßen. Nicht, dass ihr jetzt denkt, dass da nicht schon ein paar Leute drübergeschaut hätten … Aber warum nur vier Augen mehr als zwei, wenn man noch viel mehr haben kann … 😉

Kurz etwas zur Gestaltungsfrage: Ich habe diese Homepage hier dafür extra in ein Responsive Layout gekleidet, das eine gute Lesbarkeit gerade auch auf mobilen Geräten ermöglicht. So lassen sich die Inhalte auf einem Tablet ganz prima lesen, komfortabler jedenfalls als am Computer. Nur blödes Scrollen statt schönes Blättern ist derzeit halt noch unumgänglich; die nahe HTML5-Zukunft mag hier vielleicht bald Abhilfe schaffen, wie man hier sieht. Allerdings bin ich kein Programmierer und mag derzeit lieber auf schon „fertige“ Lösungen zurückgreifen. Dennoch wäre es gut, zu wissen, was ihr an dem hier mit einfachen Mitteln erzeugten Buch-im-Netz noch verbesserungswürdig findet.
Das öffentliche „Lektorat“ übrigens funktioniert so: Ich habe den Text als Crocodoc-Dateien eingestellt. Die nämlich kann man direkt wie ein Manuskript mit Anmerkungen und Strichen bekritzeln. (Dafür ist sie mobil nicht so komfortabel lesbar wie die html-Version. Die eierlegende Wollmilchsau des digital Publishing gibt es in dieser Umbruchszeit leider noch nicht.) Die übernommenen Änderungen, auch solche, die von mir selbst kommen, werden dann in die html-Version eingepflegt: So stehen sich stets „Manuskript“ und „saubere Fassung“ gegenüber.

Last but not least: Warum ziehe ich für das Experiment ausgerechnet den Rowland heran? Weil er vom Informationskrieg und dem „totalen Buch“ handelt, vom Schreiben im Digitalen aus der Perspektive eines, der nicht mehr mitzukommen können glaubt, wie von einer „verschwörerischen“ deutschen Literaturtradition. Und sich dementsprechend enzyklopädisch gibt, also eine Menge Links enthält (siehe auch meine ironische Genrediskussion Neuer Slipstream Fabulismus oder kybernetische Lexikofiktion?). Was übrigens momentan noch gegen eine Verwertung als Epub für E-Ink-Reader spricht, ist deren Anbindung ans Netz in der Regel doch eher suboptimal. Und die Möglichkeiten der Buchgestaltung sind mir dort derzeit noch zu limitiert, erst epub3 wird da Abhilfe schaffen. Abgesehen davon ist der Rowland sicher der kontroverseste und diskussionwürdigste der drei Romane. Außerdem passt es zeitlich gerade wirklich gut: Tobias Arnold begann den tagebuchhaften Roman, dem ich meinen Autoren-Namen ja nur lieh (die Gründe dafür kann man im Zwischenwort nachlesen), im Mai 2001. Und die Geschichte führte ihn bis zum Höhepunkt am Ende des Jahres. Das ermöglicht mir, 11 Jahre später, der Chronologie seines Textes ganz einfach zu folgen und sie bis Silvester 2012 hier einzustellen. Der kompletten ersten Teil sowie die Appendix finden sich schon hier, Anfang Juli folgt das Kapitel „mai-juni.doc“. Ab September, der Struktur des Inhaltsverzeichnisses entsprechend, folgen monatliche Updates, da der Text sich mit fortschreitender Geschichte mehr und mehr in ein „Echtzeit-Tagebuch“ verwandelt …

Ich freue mich also über Kommentare und Kritik. Und natürlich über’s Weitersagen. Denn das Experiment kann nur dann vernünftige Ergebnisse erzielen, wenn ein paar Leute daran teilnehmen: Wie kann und sollte es aussehen, das „soziale“ Buch-im-Netz? Für einen kleinen Namen, wie den meinen, sicherlich die größte Hürde, die es zu nehmen gilt.
Ich werde den Beta-Text also wirklich nur bei entsprechendem Echo komplett hier einstellen. Das Umformatieren fürs Web macht nämlich ziemlich Arbeit. Weshalb ich mich auch über den einen oder anderen Flattr– oder Kachingle-Klick freuen würde, mit dem man sich monetär solidarisieren kann – zumindest um ein paar meiner Unkosten zu decken ;-). Aber so ist das mit Experimenten: auch das Scheitern wäre ja ein Ergebnis, aus dem wir alle lernen können. Sicherheiten jedenfalls sind dazu da, unterlaufen zu werden. Dort wo die Angst ist, muß man hin.

Los geht es, sozusagen mit dem Klappentext hier:

[button link=“https://www.complifiction.net/Rowland/“ color=“grey“]Rowland
online lesen[/button]

(oder als annotierbares
Online-Manuskript)

Viel Spaß!

Lars Popp


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